Häßlich, Schön und Neu

achtungraketen

Wir leben in einer Zeit, da alles, und ich meine ALLES, im Fernsehen oder im Internet sichtbar wird. Sämtliche visuellen Träume und sämtliche akustischen Ideen sind inzwischen realisiert. Was immer noch kommt, sind Varianten dessen, was wir schon erfahren haben. Wie kann man hier noch überrascht werden ? Ich meine „überrascht“ in dem Sinne, dass ich etwas sehe oder höre oder fühle, das ich noch nie erfahren habe. Es gibt so viele arme Menschen in diesem Land (bzw. auf diese Erde), und alle sind dem medialen Stream ausgeliefert, der suggeriert: du kannst das alles haben, weil du alles siehst. Wie kann ein armer Mensch sich zurecht finden in dieser bunten überfüllten Welt ? Kann ich mich zurückziehen in meine mir zustehende Welt und die Schönheit eines Löwenzahns oder die Häßlichkeit eines Verkehrsschildes erleben ? Kriege ich das wirklich noch mit ? Wie ist es, im Schlaraffenland umherzulaufen und zu kurze Arme zu haben, um an all die Köstlichkeiten, die an mir vorbeifliegen, zu gelangen ? Und vor lauter Köstlichkeiten, die ich sehe, zu vergessen, dass es etwas anderes gibt, für das es sich lohnt zu leben ?

Schön wäre es, nochmal in der Zeit zu leben, in der das Rad erfunden und das Feuer gefunden wurde. Das waren wirklich Neuigkeiten. Das wäre doch witzig: da erfindet einer dieses runde Ding namens Rad und veröffentlicht das im Internet. Also einigermaßen vergleichbar wäre die Veröffentlichung der „kalten Kernfusion„. Mit einem gravierenden Unterschied: derjenige, der das veröffentlichen wird, hat vorher immense Sponsorengelder verschlungen. Was ich meine, ist, dass es heutzutage nicht mehr ganz so einfach ist, etwas neues zu machen (wenn nicht gar unmöglich). Warum ?? Na, weil alles durchs Fernsehen und Internet bekannt ist und eventuell die finanziellen Mittel fehlen. Denn wo gibts noch Neues? Vielleicht in der Kosmologie und Elementarteilchenphysik, in der Genforschung, Nanotechnologie und, ja, in der Psychologie. Aber wie willst du innerhalb dieser Gebiete in deiner Garage DIE Innovation schaffen ? Die Zeiten, in denen man glaubte, durch Vermengen von Ziegenmilch und Zink-Krümel die Teleportation zu finden, sind vorüber. Alles andere braucht mucho mucho dinero.

Die „Mona Lisa“ ist so um 1500 von Leonardo da Vinci gemalt worden. In dieser Zeit war sie der Inbegriff der Schönheit. Aber mal ehrlich: wer findet heutzutage dieses Mädel mit der zu langen Nase noch hübsch ? Heutzutage haben wir den Vergleich. Um 1500 kannte der gemeine Mensch, der in derjenigen gehobenen Position war, dieses Bild zu erblicken, vielleicht 200 Vergleichsgesichter. Heutzutage sind es, naja, um die 10000. Grobe Schätzung ! Also, wo bleibt der Zauber der Überraschung, wenn alles in der Welt schon beurteilt wurde ? Kennt ihr übrigens das „Kleine-Welt-Phänomen“ ? Kommt demnächst auch noch an dieser Stelle.

Also, ich glaube, die Sättigung ist erreicht ! Es ist wichtig, nicht immer nach oben (vorwärts, immer toller, schöner usw.) zu sehen, sondern manchmal das Kleine zu erkennen und wieder schätzen zu lernen. Vielleicht ist ein Verkehrsschild gar nicht so häßlich 😉